Wem sagt der Begriff: „semana santa (heilige Woche)“ was? Uns bis kurz vor Palmsonntag jedenfalls nichts. Wer hat keine Lust mehr auf Ostereier suchen im Regen oder gar Schnee und will Ostern mal ganz anders erleben?
Wir können und wollen all denen einige Tage in der Osterwoche in Sevilla wärmstens empfehlen. Wie uns das „semana santa“ Fieber erwischt hat, so dass wir in der Nacht auf Karfreitag erst morgens gegen halb fünf ins Bett sind und das auch nur, weil wir nicht warm genug angezogen waren? |
|
|
Eigentlich hat alles in Ecija angefangen, einer kleinen Stadt zwischen Cordoba und Sevilla. Die kleine Stadt wird auch die Stadt der Türme genannt. Und die Kirchen sind wirklich sehenswert. Oft wirken sie von außen, als ob sie gleich zusammenbrechen, innen sieht es ganz anders aus.
Hier, am „Palmsamstag“ treffen wir das erste mal auf die „Pasos“, große Plattformen, auf denen entweder der Kreuzweg oder das Marienbild dargestellt sind. |
Zwischenzeitlich wissen wir, dass diese irre schweren Dinger nicht etwa während der Prozessionen gefahren sondern getragen werden. Sehr aufwändig sind sie aufgebaut, mit unzähligen riesigen Kerzen und vielen - natürlich echten - Blumengestecken. Irgendwie aber auch ziemlich kitschig.
Durch Zufall kommen wir während der Vorbereitungen in die verschiedenen Kirchen und spüren die Aufregung, die hier herrscht. Während die „Pasos“ aufgebaut werden, hängen große Tücher davor. Riesige und unzählige Kerzen in allen Farben werden ausgepackt und aufgebaut. Viele Menschen sind da, bereiten vor und diskutieren während die Kids durch die Kirche rennen. Wir sind jetzt neugierig und verschieben die geplante Weiterfahrt. Palmsonntag haben wir in Nordspanien schon einmal erlebt, aber das hier scheint ja ganz anders zu sein. |
|
Am Morgen des Palmsonntag marschieren wir also wieder ins Zentrum. Das Wetter ist regnerisch. Der Marktplatz ist bestuhlt und geschmückt. Die Menschen haben sich schick gemacht.
Nach einem Regenschauer gehts endlich los. Die Sonne kommt raus und die Türe der Kirche geht auf; Menschen in Kutten mit Spitzhüten kommen heraus. Für die Augen sind Schlitze ausgeschnitten, sonst sieht man vom Gesicht nichts. Klu-Klux Klan fällt uns ein. Das wird doch nichts mit Klu-Klux-Klan zu tun haben, oder etwa doch? Das WLAN der Tapas Bar hilft schnell. |
Es ist anders als vermutet. Der Klu-Klux Klan hat die Spitzhüte oder besser das komplette Outfit der Teilnehmer der Prozession regelrecht „geklaut“. Im Original, also hier, ist es das Büßergewand der Nazarenos- der Spitzhut dient der Anonymität. Keiner soll mit Büßen angeben.
Als die Jesus-Figur mit dem Kreuz aus der Kirche getragen wird, gibt es Applaus. Ganz langsam wird das schwere Ding getragen. Die Träger stehen unter der Figur. Sehen können sie nichts. Ungefähr alle 100 m wird es abgestellt.
Als die Jesus-Figur mit dem Kreuz aus der Kirche getragen wird, gibt es Applaus. Ganz langsam wird das schwere Ding getragen. Die Träger stehen unter der Figur. Sehen können sie nichts. Ungefähr alle 100 m wird es abgestellt.
|
Wir beide sind jedoch noch völlig fasziniert von den Klamotten, die die Leute, vor allem die jungen Mädels tragen. High-Heels, Schlaghosen, ganz kurze Hosen….und alle Bars voll, es gibt Cañas (kleine Biere), Vino und Tapas.
Am Nachmittag fahren wir weiter nach Sevilla. Zentrumsnah gibt es hier einen günstigen Wohnmobilstellplatz, den wir ansteuern. Frei stehen kommt diesmal nicht in Frage, immerhin wurde uns vor vier Jahren in Sevilla die Autoscheibe eingeschlagen. |
Das ist auch der Grund, warum wir den hiesigen Mercedes Händler schon kennen. Und den müssen wir am Montag erst mal aufsuchen. Der Dicke stottert nämlich trotz einer Aktion beim Bosch-Dienst noch immer.
Wir stehen vor verschlossenen Türen. In der „semana santa“ hat der Mercedes Händler nur vormittags offen - und nur bis Mittwoch. Warum arbeiten die nur bis Mittag? Am Dienstag wird uns zwar geholfen, aber nur irgendwie provisorisch. Langsam merken wir: In der Semana Santa herrscht in Sevilla Ausnahmezustand. Immerhin stottert der Dicke nun fast nicht mehr. Wir erfahren: Unser Monteur ist Costalero. Er wird gebraucht! Ein Großeinkauf noch, denn auch die Läden scheinen geschlossen zu werden. |
|
Zurück am Stellplatz kann es endlich los gehen. Mit den Rädern fahren wir die Sehenswürdigkeiten ab. An der Touristeninfo bekommen wir einen Plan über die Prozessionen der Woche. Und wir sehen: 60 Umzüge mit tausenden Nazarenos (Kapuzenmänner, seit ein paar Jahren auch -frauen und -kinder) und hunderten Costaleros (Träger). Acht oder neun Prozessionen finden täglich ab mittags statt, manche dauern 12 oder 13 Stunden.
|
Am Karfreitag beginnen sechs Prozessionen mitten in der Nacht, die erste um Mitternacht. Sie endet gegen 13.00 Uhr. Am Freitag finden ab Mittag weitere sieben Prozessionen statt.
|
Alle Prozessionen laufen mehr oder weniger gleich ab: die Kapuzenbüßer vorweg, einige davon barfuß, dazwischen „Offiziere“ mit Orden und Ketten und Fahnen, dann Kreuzträger mit hängender Spitzhaube …dann die Jesusszene mit folgender Kapelle, dann wieder Kapuzen, Kreuze, zwischendurch anscheinend auch „unkostümierte“ Anzugsträger und schließlich viel Weihrauch und die Marienfigur mit Schlusskapelle. (fühlt sich jemand an Schützenfest oder Karneval erinnert?)
|
|
Und wir laufen an die Wichtigsten per Zufall hin. Die Strassen sind voll- Familienangehörige, die die Teilnehmer versorgen, Fans, Touristen, Feiernde, wir!
|
Endlich wissen wir auch, wofür die Jugend in Lorqui abends immer geübt hatte: Genau diese schrägen Töne erkennen wir jetzt wieder als Ankündigung der Umzüge. Dumpfes Trommeln dazu.
Konzentrierte BläserInnen, einfach ein schönes Fest und niemand will jemanden bekehren. Das Verrückte: man wird süchtig nach dieser Art von Musik. Irgendwann kribbelt es im Magen, wenn man das Trommeln hört und die schrägen Bläsertöne machen Gänsehaut. |
Die Kinder lassen sich Kugeln aus Alufolie von den Nazarenos mit Kerzenwachs betropfen. Im Lauf der Jahre gibt das schöne, große und auch wunderschöne Kugeln, denn die Kerzen haben ja alle möglichen Farben.
An Gründonnerstag und Karfreitag fallen dann die besonders angezogenen Damen auf: Tradition sind ganz spezielle Trauerhauben zum kleinen Schwarzen. Gerne lassen sie sich auch fotografieren. Und Fastenzeit? |
|
|
Die ist hier seit Anfang der Woche schon vorbei. Bierchen hier, Tapas da, Wein auch gerne flaschenweise. Trotzdem fällt keiner auf, der zu viel getrunken hat.
Und in der ganzen Stadt der Duft der blühenden Orangenbäume. Wir sind begeistert und ab sofort Fans von Sevilla. |
Hier gehts weiter: