Bolivien ist das ärmste Land Südamerikas und etwa dreimal so groß wie Deutschland. Im Osten grenzt es an den Pantanal in Brasilien, im Westen in den Anden an Peru und Chile, im Süden an Paraguay und Argentinien.
Der Ablauf der Grenzformalitäten ist hier weltweit sicher einzigartig. Im Örtchen Cáceres in Brasilien bekommen wir in der Polizeistation unseren Ausreisestempel in den Paß. Die Zoll- Formalitäten für den Dicken erfolgen erst am nächsten Tag, ca. 100 km weiter, direkt an der Grenze. Am Grenzschild endet die asphaltierte Straße. Ab jetzt rote Piste. Für die Formalitäten zur Einreise nach Bolivien müssen wir nochmals einige Kilometer weiter nach San Matías. |
Auf der Fahrt dorthin lädt ein Naturfreibad am Straßenrand zur Erfrischung ein. Durch den ca. 40 m x 80 m großen Pool fließt ein Fluß mit glasklarem Wasser. Chlor und Heizung nicht nötig. Der Boden ist gewachsen und etwas rutschig…. die Abkühlung einfach herrlich! Um uns herum Hühner… Im Grenzort San Matías dann das, was wir theoretisch wußten: wir sind jetzt in der dritten Welt. Mit der Bürokratie, die dazu gehört. Stempel im Paß gibts bei der Polizei, der Zoll für den Dicken ist in einer Hütte am anderen Ende des Ortes. Um den Dicken offiziell ins Land zu bekommen, brauchen wir Kopien von allen Dokumenten. Einen Copyshop finden wir erst bei einer Ortsrundfahrt. |
Supermärkte gibt es keine, dafür kleine Läden, die Lebensmittel und ein Baumarktsortiment auf kleinstem Raum anbieten. Wir kaufen Brot und die wahrscheinlich größte Ananas ever für umgerechnet gut € 1,—. Auch eine Tüte getrocknete Coca-Blätter haben wir jetzt dabei. Bolivien ist ein großer Coca Produzent. Viele kauen die getrockneten Blätter mit Asche und Kalk.
Um Kokain herzustellen, müssen die Blätter aber noch stark verarbeitet werden. Dazu werden riesige Mengen der Coca-Blätter nach Kolumbien gebracht - so haben wir gelesen. |
Wenn man Coca Blätter kaut, kann das Blut mehr Sauerstoff aufnehmen. Das reduziert wohl die Wahrscheinlichkeit, die Höhenkrankheit zu bekommen.
Aber vorerst müssen wir nicht in die Höhe. Unsere Piste führt strikt nach Westen, direkt entlang der brasilianischen Grenze durch den bolivianischen Pantanal. Gut 300 km rote Piste in gutem bis miserablen Zustand, bei Sonne und starken Regenfällen bis zum nächsten größeren Ort San Ignacio. |
Das heißt 2 1/2 Tage nur fahren. Unterbrochen von winzigsten Siedlungen und Militärkontroll-Posten, an denen unsere Daten handschriftlich in große Bücher geschrieben und wahrscheinlich nie wieder gelesen werden.
Das sind aber auch faszinierende Landschaften, viele Vögel und leuchtend blühende Bäume. Mittags beginnt es zu regnen und wir ahnen, wie es hier auf dem Weg in der Regenzeit aussieht. |
Unsere Spur, die morgens nur durch Staubfahnen markiert wurde, vertieft sich im feinen Schlamm. Bergab spricht das ABS System an. Der Pfad hat tiefe Löcher durch abfliessendes Wasser. In den Senken sammeln sich rotbraune Fluten ohne Ablauf. Einige LKW halten an, ob durch Pannen oder wegen der Fahrbahnbeschaffenheit… wer weiss.
Wir halten uns auf der unbefestigten Fahrbahn möglichst mittig, nach rechts und links fällt der Weg ab, er ist insgesamt ein Buckel. Bei Gegenverkehr wird der Weg eng, am Rande ist kein Ripio, also rechts ran und dann…tja, wie wieder weg vom Rand? |
Die Lenkung reagiert nicht, das Auto wühlt im Matsch- und schon wissen wir, warum viele nicht weiter fahren.
Wer hier vom Weg abrutscht, braucht sehr gute Reifen, auf jeden Fall Allrad und wahrscheinlich noch mehr. Wir haben zweimal Glück und/oder unser Dicker ist ein tolles Auto. Wir finden den Weg zurück auf den Buckel und kommen durch. Am Ende des Tages sieht der Dicke aus wie ein Schweinchen, das sich im Morast gesuhlt hat, kommen aber auf einer Anhöhe mit schöner Aussicht zu sicherem Stand. |
Ein paar Meter rechts rein, mehr ab von der Strasse geht nicht. Jedenfalls kann es hier weiter regnen und uns ist das egal.
Ach ja: Auf einer der vielen Bodenwellen in einer Winz-Ortschaft, gefahren im Schritttempo, hat es mal wieder geknallt unterm Auto. Dürfte eine der vorderen Blattfedern sein. Erneut gebrochen. Bei besserem Wetter mal genauer hinschauen. Im nächsten Ort noch ein Knall und ab da fahren wir ohne Vorderachsfederung. |
Am Ende der üblen Strasse findet sich San Ignacio de Velasco, beschaulicher Ort und ehemalige Jesuiten-Ansiedlung. Erst vor wenigen Jahren komplett wieder aufgebaut die eigentlich über 300 Jahre alte Kirche, originalgetreu und hübsch. Wir werden aber auch noch erhaltene und nur sanierte Originale sehen.
Die Geschichte dieser "Reducciones" in der Chiquitanía ist spannend, auch im Vergleich zu ähnlichen Siedlungen in Argentinien und Paraguay. |
Was woanders im Furor der Be-freiungskriege und danach vernichtet wurde, hat sich hier erhalten, wurde geschätzt und weiter entwickelt.
Jesuiten lernten vor über 300 Jahren indigene Ureinwohner, die sonst von Spaniern versklavt oder umgebracht wurden, zu Handwerk und Religiösität an, missionierten sie und brachten so Sicherheit und gewissen Wohlstand in die Region. |
Die Orte wirken bis heute ordentlich und gut organisiert, gleichwohl ist es Dritte Welt in einem armen Entwicklungsland. Tourismus kann und sollte sich hier noch entwickeln, Massen werden eh nicht kommen.
Landschaft, Architektur und Menschen sind aber wirklich gewinnend. Wir freuen uns besonders, dass die Strasse auf der Missionsrunde nigelnagelneu geteert ist, das tut unserem Dicken richtig gut. |
Die Übernachtung in Carmen de Ruiz auf einem Wiesenplatz vor der Kirche ermöglicht uns, Frischwasser aus dem Hahn aufzunehmen.
Da loben wir die von den Anwohnern gezeigten Ipé-Bäume doch gerne, auch wenn wir davon schon einige gesehen haben. Der kleine Ort vermittelt auch einen Eindruck der auf dem Land noch vorherrschenden Lehmarchitektur mit Flechtwänden und Palmblättern als Dach. |
Gut gefällt uns dann das Städtchen Concepción mit recht frisch renovierter „Kathedrale“, eben auch eine Jesuitenkirche.
Ein feines Restaurant birgt nicht nur eine alternative Fleischerei sondern auch einen Papagei, der Männer mag und Frauen nicht. Er liess sich kraulen, aber nur von Thomas!
Ein feines Restaurant birgt nicht nur eine alternative Fleischerei sondern auch einen Papagei, der Männer mag und Frauen nicht. Er liess sich kraulen, aber nur von Thomas!
Auf dem weiteren Weg gibt es einen Grund, die prima Strasse doch noch einmal zu verlassen: Thermalquellen bei San Javier.
Vorher auch hier in die Kirche und da übt eine Musikgruppe für ein anstehendes Festival. Sehr authentisch, wie wir beim Vergleich mit Bildern verschiedener Prozessionen im Museum sehen. Eine nette Mischung einheimischer Bräuche und Masken mit katholischen Bräuchen in einer Kirche. Das hat etwas….aber wir fahren zum warmen Wasser und machen am nächsten Tag einen Putztag- wir brauchen Wasser und das Moskitonetz und der Dicke und und und… wir lümmeln stundenlang fast alleine in der 36 Grad warmen Therme… herrlich. |
Letzte Stadt im Flachland Boliviens ist dann Santa Cruz de la Sierra, reichste und größte Stadt des Landes. Da in den letzten Jahren stark gewachsen, gibt es nicht so schöne (koloniale) Strukturen wie anderswo, aber das 1,5 Millionen Städtchen hat auch was. Es fällt auf, daß kaum Gebäude höher als zweigeschossig sind, die ganze Art des Ortes sieht eher klein und übersichtlich aus, erst der Feierabendverkehr und die Hauptausfallstrasse mit zahllosen Collectivo-Bussen macht uns die Dimensionen des Flächenfrasses bewusst.
Unter anderem eine Besonderheit hat der Ort, die wir erst für Karneval halten. Ist es aber gar nicht. |
Die „Fantasía“ Geschäfte, eine ganze Strasse voll, verkaufen und verleihen Kostüme für wohl zahllose Schulveranstaltungen im ganzen Jahr.
Wie wir wenig später im „Landhaus“ vom deutsch-bolivianischen Don Alfonso erfahren, stehen die Eltern im Ort unter erheblichem Druck, ihre Kinder immer wieder ausstatten zu müssen. Das kostet viel Geld und ist eine richtige lokale Industrie geworden. Nach dem Bestaunen der Taubenfütterung im Zentrum, der örtlichen Elektroverkabelung (220 Volt!) und einer Mini-Demonstration gegen ein Strassenprojekt geht es für uns raus aus der City auf einen Platz am |
Restaurant „Landhaus El Fuerte“, da können wir nicht nur ruhig stehen. Es gibt eine 12 kg Waschmaschine und sowas suchen wir seit Wochen.
Bettbezüge und Klamotten, alles raus und mit deutscher Edelmarke in den Zuber. Ihr seht: Campingplatz ist für Overlander Arbeit, wir sind richtig heftig beschäftigt und danach duftet es im Dicken wie in der Waschmittelwerbung. Ein Hinweis für Hygienefans: Fast überall hier in Südamerika wird nur mit kaltem Wasser gewaschen, auch in den Wäschereien. Die Wahl besteht zwischen parfümiert oder nicht. In Buenos Aires hatten wir mal „normal“ bestellt, da duftete / stank es tagelang fast unerträglich im Auto. |
Mit duftenden Laken geht es für uns sodann in die Berge. Weltkulturerbe lockt bei Samaipata, einem chilligen Hippiedorf in gut 1500 m Höhe. Auf der teilweise miserablen Strasse geht es durch beeindruckende Landschaften bergauf. Eine Lagune mit Golfplatzhotel ist Ziel einer kleinen Wanderung, Panorama vom Feinsten. Dann zum Stolz der Region: El Fuerte (das Fort) de Samaipata. Um eine 228 x 68 Meter grosse Sandsteinfläche auf einer Bergkuppe ist Jahrtausendelang ein Kult entstanden, der seit 1998 als Unesco-Weltkulturerbe vermarktet wird .
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Was Erich von Dänicken als Ufo-Landeplatz Ausserirdischer einstufte, war wohl religiöses und Verwaltungszentrum verschiedener indigenen Kulturen aus dem Umland, zuletzt von den Inkas erobert und ausgebaut. Wohl deren östlichster Siedlungspunkt vor ca. 500 Jahren.
Wichtig ist aber, dass es Spuren einer Besiedlung auch aus den Jahrhunderten lange vor Christi Geburt gibt, Kultur hatten also die Ureinwohner schon lange vor den Spaniern. Eingeschlossen Verehrung der Vorfahren mit Mumien in Felsnischen, Göttern und Kulten. |
Genaues weiss man aber wohl nicht, viel ist Spekulation und ganz fertig wurde die Siedlung bei den Inkas wohl auch nicht. Die Guaranís aus dem Flachland schlugen die Eroberer erst bei Santa Cruz zurück und vertrieben sie später ganz.
Wir bestaunen die beeindruckende Anlage fast allein am frühen Morgen, tolle Lage. Der Abend klingt aus in der Happy Hour einer sehr angesagten und empfehlenswerten Bar im Ort: La Boheme. Internationales Publikum, die besten Burger weltweit aus dem La Cocina nebenan und günstige Drinks. Da brauchen wir nicht ins hippe Berlin, sogar die gespielte Musik ist der gleiche Brei wie weltweit. |
Und englisch sprechen hier auch alle.
Gefällt uns genau so aber auch mal und der von IOverlander empfohlene Campingplatz „Jaguar Azul“ ist ein idealer Ort, um Berichte zu schreiben und (Dank an die Besitzer, die das WiFi nachts extra für uns anliessen) sie mit Bildern hochzuladen. Das habt ihr jetzt davon und heute Abend hat uns Thomas Mutter auf ein oder mehrere Drinks eingeladen. Zwei leckere Gin Tonic kosten übrigens 3 €, Portion Edelpommes 75 Cent, wir werden es krachen lassen. |
Und ein Schlussbild: Im WoMo neben uns sitzt im Motorraum ein Huhn und brütet.
Frisch geschlüpfte Küken, das wär noch was….
Frisch geschlüpfte Küken, das wär noch was….