Potosí: |
Potosi ist eng, sehr eng.
Die uns empfohlene Route geht steil bergab durch enge Gassen, irgendwann lotst unser Garmin mit OSM-Daten uns gegen eine Einbahnstrasse bergan, da |
niemand entgegen kommt, schaffen wir es und hier meckert keiner.
Wir erreichen einen feinen Innenstadtparkplatz, auf den wir sogar mit unserem „Dicken“ passen. |
Auf zu einem Spaziergang durch den Ort und das erste Mal, dass wir in Bolivien feststellen: Sonntag, alles zu.
Kathedrale, Museen, Restaurants, teilweise ohne jede Angabe, wann eigentlich auf ist. Aber der Ort ist ja insgesamt Weltkulturerbe, da sind Touristen |
Nebensache.
36 barocke Kirchen sind Überbleibsel der Glanzzeit des Ortes, und was glänzte hier? Silber. Im Sechzehnten Jahrhundert fand ein indigenen Anwohner morgens neben seinem Feuer schieres Silber, das sprach sich rasch zu den Spaniern rum und dann ging es hier ab. |
Über 60.000 Tonnen des Edelmetalls soll aus dem Hausberg, dem Cerro Rico, dem reichen Berg, herausgeholt worden sein.
Von den zur Arbeit gezwungenen Indios (afrikanische Sklaven kamen mit der Höhe des Berges zwischen 4.000 und 4.600 m nicht zurecht) sollen im Laufe der Jahrhunderte 8 Millionen hier zu Tode gekommen sein. |
Bis heute sterben in den Stollen allein durch Unfälle ca. 50 Arbeiter jährlich.
Aber der Reichtum durch das Silber trieb auch andere „Blüten“, besonders seltsame in Verbindung mit Religion. Wir stoßen beim Rundgang auf ein offenes Museum, Santa Teresa, gegründet 1692 als Karmeliterinnen-Orden, und zwar die Untergruppe der unbeschuhten. |
Im Eintrittspreis ist eine Führung auf spanisch enthalten, ein Franzose in der Gruppe übersetzt netterweise für uns. Und uns bleibt die Spucke weg: In diesen Orden wurde das jeweils zweitgeborene Mädchen aristokratischer (also reicher) Familien gegeben.
Als Obolus mussten in heutigem Wert 100.000 US$ gezahlt werden. Dann kamen die Mädels mit 15 Jahren in das Kloster und durften dort genau zwei Stunden am Tag mit den höchstens 20 anderen Frauen und Mädchen reden, Kontakt zur Aussenwelt war streng verboten. Ausnahme: eine Stunde im Monat ohne Sichtkontakt reden mit der eigenen Familie. Aufgezogen über Familienehre (angeblich waren alle Beteiligten super-stolz auf das gefangene Leben) war also klar: Die Mädels arbeiten drinnen den ganzen Tag, sticken, backen, rühren Medizin, alle Oblaten der umliegenden Gemeinden werden hier noch heute gebacken, das erwirtschaftete Geld ist für die Kirche. |
Bekochen mussten sich die Damen selbst, natürlich auch sämtliche Hausarbeiten machen.
Die Mädchen mussten sich dreimal die Woche vorsorglich selbst geißeln, falls sie trotz ihrer Zwänge eine Sünde begangen haben sollten. Erst Mitte der 1970 Jahre beendete man die Selbstgeißelungen. Der Gipfel: Auch mit dem Tod kein Entkommen, Verstorbene kamen mit Kalk drüber unter den Gebetsraum- der befindet sich neben der Kirche für die Reichen des Ortes. Da durften die Mädels ja auch nicht rein. Uns war nach der Führung ganz elend, Wut auf solche Institutionen machte sich breit und die schönen Gebäude sowie der aus Spanien gesandte Altar mit lauter Gold konnten uns nur wenig trösten. Jetzt alle Energie auf den nächsten Tag fokussieren, da wollen wir ins Bergwerk. Zahllose Anbieter bieten Touren zu den Minen, natürlich jede ganz besonders toll beworben. |
in den Cerro Rico: |
Wir entscheiden uns für den Anbieter Koala, passt als Name hier zwar nicht, aber 1. hatten die Sonntag auf und 2. sollen die Überschüsse an die Kooperative der Minenarbeiter gehen.
Unsere Tour sei nicht touristisch, es gehe in eine echte Mine und zu echten Arbeitern. Morgens, nach dem Frühstück, stellen wir fest, dass der Dicke das einzige Auto auf dem Parkplatz ist. Dafür: zwei Parkverbotsschilder. Wer die wann aufgestellt hat….? Was tun? Bis wir jetzt in diesen verwinkelten Gässchen einen anderen Stellplatz gefunden haben und dann zum vereinbarten Treffpunkt gelaufen sind, ist der Bus weg. Einfach stehen bleiben? |
Irgendwann klopft es an der Türe. Eine ältere Frau bittet uns, wenige Meter umzuparken. Tun wir gerne.
Dann will sie noch zwei Bols für eine Stunde parken. Selten waren wir so glücklich, Parkgebühren zu bezahlen. Jetzt schnell in den Bus, immerhin 12 Leute, erstes Ziel ist das Warenhaus, da werden wir eingekleidet und mit Helm versehen, danach in einen Shop mit Bedarfsartikeln für Minenarbeiter. Alle Touren machen das wohl so, es sollen dort Geschenke für die Arbeiter gekauft werden. Ok, wir kaufen ein Completo, das ist eine Dynamitstange mit Zünder und Verstärker Ammoniumnitrit. |
Wir hätten das auch mehrfach erwerben können, die erworbenen Güter sind nicht zweckgebunden.
Andere gern gekaufte Mitbringsel sind 98 %iger Trinkalkohol und Cocablätter. Irgendwas muss die Arbeit ja erträglich machen. Tolle Kombination, oder? Hochprozentiger Alkohol und Dynamit, alles frei verkäuflich und gerne im Kombipack genommen. Dann tuckert der Bus den Berg hinauf, an Müll und Abraum vorbei bis auf 4300 m. Zuerst dürfen wir die Aussicht auf den Ort Potosí geniessen. Kurz vor dem Signal „rein in den Stollen“ rumpelt etwas in diesem und aus ihm heraus. |
Die von Hand, also 2 bis 3 Arbeitern, gezogenen Lohren, transportieren die Mineralien der kooperativ arbeitenden „mineros“ aus dem Berg.
Genau so eine Lohre kommt aus dem Schacht gedonnert. Sie wird - leer - auch wieder hineindonnern, kaum, dass wir auf dem Gleis sind und mit Glück eine Ausweichstelle erreichen. Die Art der Verbauung des Schachtes sieht aus, tja, wenn der Laie das beschreibt…sagen wir mal: nicht vertrauenserweckend. Grössere Steine am Rand aufgestapelt, stützen tun die nix. Gelesen haben wir, dass niemand genau weiss, wo Schächte, Stollen und Höhlen sind. Der ganze Berg ein Schweizer Käse, durchlöchert und keiner weiss, wo. Toll. |
Kein Wunder, dass hier quasi-religiöse Mythen gepflegt werden, besonders die die von Tio, dem Onkel. Er, mit grossem Phallus (erigiertem Penis), wird mit Lametta behängt und angebetet. Er soll die Sicherheit der Bergarbeiter gewährleisten. Na wenn das nicht hilft.
Hier die Frage nach Todesfällen (auch unter Touristen) zu stellen, ist unschicklich. Es soll aber wohl bei solchen Besuchstouren noch nichts Schlimmes passiert sein, unsere dem Besuch vorangegangene unruhige Nacht war also ganz unbegründet. Die nächsten unterirdischen Wege sind aber schon Respekt gebietend. Leitern mit angebrochenen Stufen auf und ab, Geröllhalden, enge Schächte, es strengt ordentlich an, den ersten am Berg arbeitenden Menschen zu erreichen. Er bohrt, angeschlossenen an wild herumhängende Kabel (nicht berühren!!), Löcher für das Dynamit. |
Er hat auch eine echte Staubmaske- trotzdem sterben hier viele an Silikose, Staublunge. Die Arbeiter werden wohl im Durchschnitt kaum fünfzig.
Unsere Kopflampen halten, obwohl jeder mehrfach mit dem Kopf an die Decke stösst, die Gänge sind echt niedrig, zum Teil kriechen wir durch. Unsere mitgebrachten Billigmasken gegen Staub setzen wir trotzdem kaum auf, dann atmet es sich noch schwerer. Echt keine Touristenbespassung, eher schon ein anstrengender Vormittag. Und das Angebot der beiden besuchten Bergarbeiter, ihnen den Rest des Tages zu helfen, nimmt aus unserer Gruppe denn doch keiner an. Die beiden freuen sich aber über die Geschenke und wir schnaufen wieder raus. War ein tolles Erlebnis, anstrengend, ich glaube, man ahnt das auf den Bildern. |
Thermalquellen
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Was passt als Anschluss an anstrengende Höhlenkletterei…genau: Thermalquellen im nahegelegenen Ort Tarapaya.
Die soll es an einem Ojo del Inkas, also einem Auge der Inkas geben. Nur knapp 20 km raus aus dem engen Potosí aber gleich 800 m runter finden wir Hinweise und Balnearios. |
Das Auge selber ist gesperrt wegen gefährlicher Strudel, da hat es wohl Tote gegeben.
Unser Platz ist von Waschaktivitäten zahlreicher Anwohner besetzt. Na da warten wir doch auf die Dunkelheit. |
Unterm Sternenhimmel geniessen wir dann fast 40 Grad heisses Badewasser in einem richtigen Pool, herrliche Entspannung und der Auslauf ist als Dusche gestaltet, da kommt der ganze Minendreck wieder runter.
Sehr fein und nach ruhiger Nacht schauen wir uns das Inkaauge wenigstens noch an. Da hat es geschätzt nur 25 Grad im kreisrunden Pool- also hatten wir wieder mal Glück. |
Die Strecke Richtung Uyuni kostet mal wieder Maut (wie fast alle Strassen in Bolivien), für 24 Bollies (3 €) bekommen wir aber eine sehr feine Fahrbahn und immer wieder Aussichtspunkte vom Feinsten.
Ein Canyon beeindruckt besonders, da kann auch das Auto mal als Grössenvergleich auf ein Suchbild. Einfach mal die Dimensionen verdeutlichen…wir fahren zwischen 3.300 und 4.300 m und flacher wird das Gelände erst kurz vor Uyuni, dann auf 3.700 m. |
Kurz vorm Ziel liegt noch eine weitere Minenstadt… aber das steht im nächsten Bericht.
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